Reisende Kilbi

IMG 0544 Benedikt Sartorius. Journalist und Popkulturist.

Bist du schon angekommen oder verloren oder einfach unterwegs? Der zweite Tag der herumreisenden Bad Bonn Kilbi.

Spring nochmals rein in die Metro, die hier durch ein menschenleeres Dystopia fährt, spring raus, und besuch irgendeinen Artspace, bleib immer in Bewegung, denn vielleicht findest Du, als Videogamemenschlein in verpixelten Grafiklandschaften, dann doch noch den Platz, an dem Du ankommen kannst. Der Soundtrack? Töne aus dem Cello, erst anwachsend, dann sind sie wieder weg, weil ein übriggebliebener Beat aus einer vergangenen Clubära einsetzt und eine Stimme, die «Innocent Love» vor sich hin murmelt.

Das Set, das der Cellist Oliver Coates zum Samstagsschluss auf der Bad-Bonn-B-Stage gibt, morpht sich von hier immer weiter, hetzt auch mal, wird elegisch, gleich, wie ihm dies auf seinem letztjährigen Album «Upstepping» gelungen ist. Doch es ist auch Musik zu hören, die er gemeinsam mit Mica Levi aufgenommen hat, oder ganz zum Schluss, als das Videogamemenschlein eine verwinkelte und losgelöste Himmelshütte erreicht hat, aus Levis fantastischem «Under the Skin»-Soundtrack stammt. Das Game ist also durchgespielt, und in diesem Moment war auch ich, der Kilbibesucher dieser Nacht, für einmal angekommen.

Denn es war ein zweiter Tag, an dem ich mich zu oft – aus diversesten Gründen – als Transitbereichaufenthalter fühlte. Die Umgebungen wechselten: Erst noch bei den nicht unspooky wirkenden und synchronspielenden Mandolin Sisters (mitsamt dem Vater auf der Bühne) aus Indien, dann schon beim griechisch-australischen Laouto-Schlagzeug-Duo Xylouris White und ihren weitoffenen Free-Folk-Songs (die ich wegen einer schönen Arbeit frühzeitig verlassen musste). Zunächst auch die wunderbare Gitarrenfeierabendmusik mit Ultimate Painting (diese Lieder!), dann grimmige Kalte-Krieg-Sounds von This Is Not This Heat (die originalen Platten klingen für mich dann doch wesentlich frischer als diese Liveaufführung). Und natürlich auch: KoKoKo! aus Kinshasa mit ihren selbstgebauten Instrumenten und OOIOO mit dieser genauen und labyrinthischen und freien Rockmusik. Kurz, man konnte verloren gehen, die Spur verlieren – und das passierte mir.

Es gab aber auch nächste Lokalitäten zu erkunden, gleich bei der Dorferkundung am frühen Nachmittag mit Bruder Julian (frühzeitige Ankunft heute Sonntag sehr empfohlen, weil es hat bloss Kopfhörer, solange es hat): Inmitten von Düdinger Coop-Wocheneinkäufern stromerte die Wandergruppe durch den Dorfkern der Gastgebergemeinde, die Anwohner wunderten sich, während sich die Sinne für die fantastischen Klänge, die da am Wegrand lauern und auf juschten Schildern verbergen, neugierig schärften. Was für eine Welt.

Hier, der Bericht vom Freitag – wie auch das Tagesvideo.

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