Unknown Mortal Orchestra: «Multi-Love»
Falls man eine Sommerplatte braucht, hier ist sie: die schwüle, verzweifelte, hilfeschreiende und doch beglückende «Multi-Love» von Ruban Nielson alias Unknown Mortal Orchestra.
«It's complicated», war der Dreiecks-Beziehungszustand von Ruban Nielson im vergangenen Jahr. Und ja, man kann «Multi-Love» auf diese biografische Art lesen, wie er sie auf Pitchfork schildert, es geht aber auch uneindeutiger, «because it could be about infidelity too, or a love-triangle, or it could be about somebody dealing with bisexuality», wie er in einem Dummy-Interview sagt.
Das gleiche gilt für die Musik, die der Neuseeländer in seinem Heimstudio im amerikanischen Portland meist in der Nacht aufgenommen hat. Es ist Disco, irgendwie, es ist Funk, es ist psychedelisch und irgendwann auch Rock. Im schlechtesten Song klingt das wie Prince, (oder so, wie ich mir als Nicht-Prince-Kenner Prince vorstelle), in den Glanzmomenten, von denen es auf «Multi-Love» so viele gibt – angefangen natürlich beim schwül-lockenden und halbverrückten Titelstück über die zweite Single «Can't Keep Checking My Phone» (ja, die Smartphones erobern allmählich den Popsong) bis hin zu den zunächst weniger spektakulären, dann aber grossartigsten Songs am Schluss («Stage or Screen» –> «Necessary Evil» –> «Puzzles», was für eine Abfolge) – ist das prekärer und schillernder Pop, der sich dann eben doch ziemlich eindeutig bekennt: «America, open your door // Is it right to always fight against "the other" // What is "a person of color", is it wrong to have a zone that isn't monochrome?», fragt Nielson in «Puzzles». Das Private kommt hier, jaja, mit dem Politischen zusammen, aber Lösungen hat er für beides nicht, auf dieser Platte, die nun schon seit zwei Wochen on repeat läuft. Und es ist sehr gut möglich, dass sich dies in den kommenden Monaten nicht ändern wird.
Unknown Mortal Orchestra: «Multi-Love» (Jagjaguwar/Irascible)